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Datum:
04.06.2002
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Zeitung:
Junge Welt
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Titel:
Wurde Sprengstoff nachträglich deponiert?
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Wurde Sprengstoff nachträglich deponiert?
Kronzeuge wird zum Sicherheitsrisiko für die Anklage im RZ-Prozeß
Ohne die erwartete Aussage einer Entlastungszeugin wurde in der
vergangenen Woche das sogenannte "Berliner RZ-Verfahren" fortgesetzt.
Die Zeugin ist erkrankt und wird daher dem Vernehmen nach frühestens
in zwei bis drei Wochen aussagen können. Doch auch ohne deren
Aussage wurde die Demontage des Kronzeugen Tarek Mousli fortgesetzt,
der neben vier weiteren Angeklagten auch Harald G. beschuldigt,
am Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für
Asylbewerber (ZSA) in Berlin in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar
1987 beteiligt gewesen zu sein. Nachdem bereits der Mitangeklagte
Rudolf Sch. in seiner Einlassung dargelegt hatte, daß es Mousli
selbst war, der den Sprengsatz angebracht hatte (jW berichtete),
wurden am Donnerstag Meldebescheinigungen sowie Aufnahme- und Entlassungsschreiben
verlesen, die alle belegen, daß Harald G. zu diesem Zeitpunkt
in Polizeigewahrsam saß und erst am 17. Februar 1987 aus der
JVA Moabit entlassen wurde. Harald G. kann also am Anschlag auf
die ZSA nicht beteiligt gewesen sein. Das aber behauptet Mousli.
Nicht viel besser sieht es für Mousli inzwischen in Sachen
Sprengstoff aus. Der Kronzeuge der Bundesanwaltschaft (BAW) behauptet,
ihm sei 1995 aus seinem Keller Sprengstoff gestohlen worden, den
er für die "Revolutionären Zellen" (RZ) aufbewahrt haben
will. Die verbliebenen Stangen des "Gelamon 40" habe er direkt danach
in einem Seegraben im Norden Berlins versenkt. In seinem Keller
aber fanden sich keine Spuren. Auch im Seegraben wurde erst im August
1999 - nach zwei vergeblichen Versuchen des Bundeskriminalamts (BKA)
und unter Anleitung Mouslis - Sprengstoff gefunden. Allerdings an
einer völlig anderen Stelle.
Nach Angaben von unabhängigen und BKA-Sprengstoffexperten kann
der Sprengstoff nicht vier Jahre lang im Wasser gelegen haben. Genauer
prüfen kann das niemand mehr. Denn der Sprengstoff wurde kurz
nach seinem angeblichen "Fund" durch das BKA vernichtet.
Nun belegt ein vorläufiges Gutachten des renommierten Fraunhofer-Instituts,
daß das Klebeband, mit dem das Sprengstoffpaket umwickelt
war, zwar Wasser ausgesetzt gewesen ist - aber nicht vier Jahre.
Die Gutachter kommen zu einem eindeutigen, für den Kronzeugen
höchst unerfreulichen Ergebnis: "Die Untersuchung des Zustands
des Klebebandes zeigt, daß es bezüglich der Einwirkung
von Wasser praktisch unverändert ist. Es kann daher", so die
Gutachter weiter, "höchstens wenige Monate" im Wasser gelegen
haben, "keinesfalls Jahre". Warum das so ist, dürfte nach Lage
der Dinge nur Mousli selbst klären können - oder auch
das BKA?
Volker Eick
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